Pilze in den Alpen

Pilztag in den Alpen . . .heute ist der 24. August 2002

Herbsttrompeten habe ich gefunden! Gestern, im Sachsenrieder Forst bei Kaufbeuren, bei der einzigen Buche bei der ich weiss, dass sie da wachsen. Sie waren schon recht groß und zahlreich, mehr als in anderen Jahren und so kam mir der Gedanke, dass es in höheren Lagen, also in den Alpen, meine Lieblingspilze mindestens so groß und zahlreich geben müsste.

Sehr früh wollte ich aufstehen, für über 100 km Anfahrtsweg. Um 4:30 Uhr riskierte ich einen ersten Blick auf den Wecker, zu früh! In dem Bewusstsein, dass ich noch jede Menge Zeit habe muss ich mich einmal zuviel umgedreht haben und mein nächster Blick auf den Zeitmesser zeigt 7:25 Uhr. So spät hätte es nicht werden sollen, denn ich habe gestern Abend keinerlei Vorbereitung für heute getroffen. Pilze in meinem Hinterkopf lassen mich jedoch immer flott und effektiv agieren. 8:15 Uhr sitze ich im Auto mit Frühstück im Bauch, sämtlichen Pilzklamotten und Schuhen im Kofferraum, Pilzmesser (2), Pilzkörbe (3) - im Moment noch mit anderen Utensilien bestückt, was zum Umziehen, Brotzeit, was zum Trinken, alle anderen eventuellen Bedürfnisse sind mit dem Geldbeutel abgedeckt.

Der Himmel zeigt sich in einem popeligen Grau aber nicht regnerisch, die Fahrt dürfte recht angenehm verlaufen, weder zu heiss noch zu kalt einfach optimal. Schätze um 9:30 Uhr werde ich da sein... aber man ist ja nicht alleine auf der Welt und so wird es 10 Uhr. Das ist nicht schlimm, ich habe den ganzen Tag Zeit.

Drei Autos stehen auf dem Parkplatz, das juckt mich überhaupt nicht, denn Totentrompeten sammelt hier keiner! Erst muss ich Bergschuhe anziehen, damit ich in dem steilen Gelände gut zurecht komme, dann geht's hinauf. Von Weitem sehe ich gelbe Pilze im Gras, pfifferlingsgelb ist das nicht! Erst als ich ganz nah bin, kann ich die Pilze bestimmen.

Goldröhrlinge mit Steinpilzfigur! Wenn ich da an die mickerigen  Dinger denke, die bei uns wachsen! Es gibt sie in sattgelb, braungesprenkelt und braun. Goldröhrlinge will ich aber nicht sammeln, mein Ziel liegt höher, dort oben müssen sie wachsen, meine Herbsttrompeten, also noch weiter hinauf und noch steiler, eine gewisse Wärme macht sich unter meiner Regenjacke breit.

Den Platz finde ich schnell, aber die Pilze erst auf den zweiten Blick. Ich weiss sofort, ich bin zu früh dran. Schön frisch sind sie ja die Herbstis, aber zum einen recht klein und zum anderen doch recht wenige. Da hatte ich meine Hoffnungen wieder zu hoch geschraubt.

Zur Information: Herbsttrompeten und Totentrompeten sind die gleichen Pilze, und die Abkürzungen Herbstis oder Totis sind auf meinem Mist gewachsen! Herbstis nenne ich sie liebevoll, denn sie sind ein Gedicht an Geschmack und Totis verleiht ihnen einen makaberen Sinn, besonders bei Leuten die einen gewissen Horror vor Pilzen haben.

Der nächste Totentrompetenplatz liegt auf der anderen Seite des Berges. Beim Aufstieg treffe ich staunend auf Steinpilze. Ist ja klar, in früheren Jahren war ich immer später im Jahr hier, da gab es keine Steinpilze mehr, heute ist es anders, die Trompeten sind ganz jung und die Steinpilze noch da! Leider ist das erste Exemplar zu alt, doch schon die nächste Begegnung verspricht absolute Frische.

Den Grat habe ich erreicht und blicke auf die andere Seite: Goldröhrlinge in tollsten Ausmaßen stehen da unten. In dieser Gegend muss der nächste Platz sein, also wieder genauso steil runter wie vorher rauf .

Ich halte Ausschau nach der Lärche mit der Goldröhrlinge eine Wurzelgemeinschaft bilden, denn sie wachsen nur bei dieser, ich kann beim besten Willen ausser Kiefern und Fichten keinen solchen Baum entdecken, sollten die Pilzbücher doch nicht recht  haben...? - Glaube doch nicht so etwas elfi, da unten gute 15 Meter weiter stehen Lärchen, bestimmt sechs riesige Bäume!

Allzu groß ist meine Überlegung dafür aber nicht, ich suche ja meinen Herbsttrompetenplatz, da unten bei den paar Fichten müsste er sein. Vergebens, kein schwarzes Pilzchen lässt sich sehen nicht mal ansatzweise. Jetzt bin ich echt enttäuscht, nur auf der Westseite sind sie gewachsen hier auf dem Morgenhang ist nichts los. Alternativ habe ich noch ein Chance, wiederum auf der Westseite gibt es tiefergelegen noch eine Platz, ich habe nicht gleich danach geschaut, die erklommene Höhe  wollte ich nicht aufgeben. Nun muss ich aber um den Berg rum und ca. 20 Meter tiefer suchen. Wieder nichts! Soll ich jetzt aufgeben? Den ganzen Berg runter und die 100 km wieder heim? Moment, ich habe doch Steinpilze gefunden und ich weiss, dass auf dem nächsten Hügel welche wachsen können.

Ein weiterer Grund kommt hinzu hier zu bleiben, Pfifferlinge. Bisher habe ich gedacht sie wachsen noch nicht. Aber sie haben sich nur gut versteckt. Klein sind sie auch nicht, allerdings recht einzeln unterwegs. Besonderheiten entdecke ich: Auf einem SchwÃäzenden Täubling haben sich Zwitterlinge angesiedelt.

 

Mein Vorsatz, diesen steilen Berg ganz gezielt zu begehen, ist zunichte. Ich bin schon so oft auf und ab gegangen, kreuz und quer, dass ich doch noch auf meine zweite Kolonie Herbsttrompeten stoße. Da bin ich doch vorhin drei Meter daran vorbeigelaufen. Hoch erfreut zücke ich meine Schere, die habe ich  dabei um die Trompeten abzuschneiden, so erntet man sie effektiv und schont den Boden. Mein Pilzkorb bedarf nun der Neuordnung. Ich habe  noch soviel Sachen dabei, das Handy, das brauche ich hier, falls ich den Berg  runterpurzle und nicht mehr weiter komme, die Brotzeit, die werde ich mir einverleiben, der freie Platz im Korb tut gut und der freie Platz im Magen wird gefüllt. So gestärkt steige ich mit neuem Elan den nächsten Hügel auf einem Gemsenpfad hinauf. Allerdings bedeutend langsamer, als diese behenden Tiere. Denn ich kann ja nicht auf den Weg schauen, ich will Pilze finden und die wachsen auf solchen Wegen selten, sie liegen eher mal kopfüber zu meinen Füßen.

Offenbar ist der Steinpilz im Steilhang  kopflastig geworden. Es gibt auch standhafte Typen, die beharrlich auf  mein Pilzmesser warten und ab sofort den Vorteil des Getragenwerdens genießen. Zum erstenmal finde ich Edelreizker, die müssen auch mit,  ich habe schon so viele Lobeshymnen über sie gelesen, den Geschmack  darf ich mir nicht entgehen lassen! Immer schönere Steinis finde ich  und mein Korb füllt sich. In Serpentinen gehe ich bergab. Ein leichtes  Ziehen in der rechten Ferse verrät mir, dass ich mir eine Blase  gelaufen habe, na prima, jetzt heißt es Zähne zusammenbeißen, es sind noch locker drei Kilometer bis zum Parkplatz.

Herrlich gestaltete  Korallen wachen in ungewöhnlichen Mengen, Pilze die ich nicht zuordnen kann, begegnen mir und ein "Bänker". Augenfalter fliegen immer wieder auf und setzen sich auf den Weg, bis ich mich bequeme einen zu fotografieren. Ich trete auf einen freien Platz, da steht ein Auto, mein Auto.

Bin ich froh es zu sehen, da ist eine Flasche Saft im Kofferraum, ich begegne ihr wie  ein Schwamm. Ich verstaue meine Pilzbeute im Kofferraum, entledige mich der Pilzklamotten und verwandle mich mit frischer Kleidung vom Waldschrat in einen normalen Menschen.