Morcheln 2008 - 2

Nun bin ich wieder alleine. Ich schaue mich in meinem Garten um, in dem sich die Frühlingsblumen voll entfaltet haben. Da fällt mir mein erstes Treffen vor 5 Jahren ein. Im Jahr 2003 sah es um diese Zeit ganz anders aus. Keine geöffnete Blüte, nur 10 bis 15 Zentimeter hohe Tulpenblätter mit geschlossenen Blüten. Mein Garten war kahl! Und heute?

Ich kann mich so gut erinnern, weil damals Joachim hier war und mitleidig in die Runde schaute: “ Bei uns sind die Frühlingsblumen fast vorbei...”. Egal, ganz offensichtlich, es wird wärmer. Das Wachstum ist mindestens drei Wochen früher dran. Und was machen die Morcheln? Sie wachsen noch! Meinen Enkel Tim schleppe ich von Mulchplatz zu Mulchplatz. Die Funde sind kolossal bis einzigartig!

Wir plündern gemulchte Gärten, natürlich erst nach Anfrage bei den Besitzern. Holen die allerletzte Spitzmorcheln vom gemulchten Großmarktparkplatz. Finden in Österreich einen Markt, auf dessen Mulch Speisemorcheln auf uns warten und räumen die Steilwand ab, die erst jetzt etliche Speisemorcheln hervorgebracht hat.

Am 20. Mai mache ich den letzten Morchelausflug. Bei sehr kaltem und regnerischen Wetter fahre ich bis Sonthofen. Bekannte und unbekannte Mulchplätze sind mein Ziel. Einige Morcheln gibt es immer wieder. Irre große Exemplare und Albinos sprießen nebeneinander. Diese Mulchplätze haben morchelmäßig ihre eigene Philosophie.

Während mein letzter Morchelfund vor sich hin trocknet, bin ich gedanklich bereits bei den Flockenstieligen Hexenröhrlingen.  Ein Hauch von Wärme, die schon über das Frühlingsfühlen hinweg geht, und der Regen, der die Erde duften lässt, reizen meine Gedanken, sie müssten da sein! Es ist schon der 27. Mai! Hatten mich die Morcheln so lange im Griff, dass ich die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannt habe? Ein Griff zum Kalender sagt mir: Den Startschuss hast du sicher verpasst. Der Vollmond im Mai war vor neun Tagen. Das Wetter war pilzig, Regen und Sonne = Treibhausklima, da wachsen die Pilze schnell!