Pilze Okt. Nov. 2008

Anfang Oktober, noch kann ich die Pilzpirsch nicht lassen. Waldwege, auf denen sich große Pfützen gebildet haben, dampfen im späten Sonnenlicht. Gräser am Wegesrand sind von Spinnennetzen überzogen, auf denen sich Tausende von feinsten Tautröpfchen angeheftet haben, diese glitzern im Sonnenlicht wie Edelsteine.

Hocherfreut schaue ich am sonnigen Waldesrand meiner Rehfreundin in die Augen. Sie verlässt ihren Sonnenplatz und wechselt in das gegenüberliegende Waldstück. Ein heißeres Bellen klingt herüber. War das nun ein Gruß oder sollte das am Ende heißen: “Wegen Dir musste ich meinen sonnigen Platz verlassen!” Wie auch immer das zu interpretieren ist. Einem Reh zu begegnen ist mir lieber, als von einer “Panzerknackerbande” verfolgt zu werden, wie es einem Schreiber aus dem Pilzforum passiert ist.  (Herzlichen Dank an Kattugla der mir das exzellente Bild überlassen hat.)

Im Oktober präsentieren sich die Wälder in rotgoldenem Farbenspiel. Es ist ein Leichtes den Kopf zu heben, um diese Pracht anzusehen, denn dem Waldboden entsprießen nur Spärlichkeiten. Knallrot einige Fliegenpilze, schwächelnde Pfefferröhrlinge, vertrocknende Steinpilze, Faltentintlinge und ein einsamer Maronenröhrling.

In dieser wundersamen Welt versuche ich Herbsttrompeten zu finden. Sie sind alt und vertrockent.

Nie gesehene fragile Dekorationen schmücken den Waldboden, sie ziehen meinen Blick an: Laub auf Farnwedel! Schwarzpunktierte Schnecklinge und Grünspanträuschlinge stehen in kleinen Gruppen beieinander.

Nebelkappen wie Hochzeitssträuße, Erdsterne, fett und breit, Helmlinge, grazil glänzen sie aus sattem Moosgrün. 15. Oktober: Ich staune, um diese Jahreszeit eine Pilzberatung! Gefragt ist die Essbarkeit eines Flockenstieligen Hexenröhrlings. Der Mann hat aber noch zwei Steinpilze in seinem Fang. Gerne erzählt er mir von der Fundstelle. Ich kenne diese Gegend nicht, aber meine Freundin in Südafrka kennt die sicher. Ich schreibe eine E-Mail und bekomme Antwort. Am 18. Oktober besuche ich diesen Platz und finde einen Steinpilz! Es ist der Letzte in diesem Jahr.

Späte Waldspaziergänge lassen mich noch Sachen entdecken, denen ich bisher vergeblich nachgelaufen bin, völlig überrascht stehe ich vor gammeligen Bischofsmützen, die einen alten Baumstamm besiedelt haben, wie oft mag ich an den frischen Exemplaren vorbei gelaufen sein? Eine einzige Grubenlorchel? Ich weiß, dass diese Pilze hier wachsen, aber eher so 20 Stück und viel kleiner. Zungenkernkeulen gibt es in meinen Wäldern immer in Massenauflage, irgendwann grabe ich die dazugehörige Hirschtrüffel aus. Die Weiße Koralle drückt teppichweise.  Ein knalloranger Punkt im Wald? Ein falscher Pfifferling. Ganz sicher hat der sich verirrt, denn dessen Zeit ist schon längst vorbei.

November, kalte Nächte, kühle Tage. Pilze ade! Bis zum nächsten Jahr. Mit kleinen Tränen sagt mir ein Porling: Tschüss! Ich nehme seinen Gruß an und sage: “Wiedersehen im nächsten Jahr.”

Abseits von einem Pilzgedanken führt mich eine musikalische Reise Anfang November in den Bayerwald nach Schönberg. Freitag ist Countrymusik vom Feinsten angesagt!

Samstag, ein kleiner Spaziergang. Dieser führt uns auf den Kadernberg. Golden leuchten die herbstlichen Birken. Ich staune, hier ist noch Herbst, wogegen in meiner Heimat der Winter deutliche Zeichen setzt. Schuhmäßig völlig falsch ausgerüstet habe ich den Berg erklommen. Bergauf ging es mit 10 Zentimeterhacken ganz prima. Bergab ist es eine Herausforderung. Vorsichtig taste ich mich abwärts. Der Blick für Pilze, den ich mir in Jahrzehnten antrainiert habe, geht dabei nicht verloren. Schwarzweiße Fliegenpilze? Nein, keine Farbverschiebung, die stehen da! Meine Countrymusik spielende Freundin hat auch einen “Pilzblick”. Ich stelle mir hinter der Fichte einen Steinpilz vor. Sie deutet auf einen Hexenröhrling. Daneben stehen Maronenröhrlinge, große und kleine. Ich kann es nicht lassen. Der Flocki muss mit! Wir fahren erst morgen heim, darum bette ich den Pilz in den kühlen Kofferraum. Am 3. November koche ich mir das letzte Frischpilzgericht in diesem Jahr. Flockige Hexenröhrlingsschnitzel mit Kartoffelsalat! Mmmh!